Unnötigen Stress vermeiden
Entscheidungssituationen sind oft zäh und frustrierend. Dabei wären viele der Ärgernisse vermeidbar. Sie entspringen nämlich hinderlichen Kommunikationspraktiken und falschen Glaubenssätzen, die sich über die Jahre eingeschlichen haben. In dieser Reihe legen wir prominente Denkfehler offen und geben Anregungen, sich davon zu befreien.
Fall #1
Ein Chef, der nicht entscheidet
Ein realer Fall
Lukas ist Teamleiter in einem Industrieunternehmen. Seit einigen Wochen hat er ein Problem. Denn zwischen seinem Team und dem neu gegründeten Team von Laura gibt es ständig Reibereien. Der Grund dafür sind unklare Zuständigkeiten. Lukas findet, das muss dringend besser organisiert werden; er hat auch eine präzise Vorstellung wie. Diesen Vorschlag trägt er nun seinem Chef, Phillip, vor. Philipp hört sich das alles in Ruhe an. Danach passiert das gleiche wie immer: Nichts! Lukas schätzt Philipp zwar als Menschen, doch als Chef findet er ihn unmöglich. Wer Führungskraft ist, der muss auch entscheiden; Philipp aber tut genau das nicht. Und lässt Lukas und sein Team wieder einmal allein.
Einordnung
Chefs, die nichts entscheiden, sind weit verbreitet. Seitdem wir Organisationen in Entscheidungsdingen beraten, laufen sie uns andauernd über den Weg. Und das auf allen Ebenen, von der Teamleitung bis zum Vorstand. Es scheint, als besäße fast jeder einen Vorgesetzten, der sich mit dem Entscheiden schwertut. Und die allermeisten ärgern sich über so einen Chef (oder so eine Chefin). Oder sie haben resigniert. Oder sie sind kreativ geworden und haben eine Umgehungslösung gefunden. Gleichwie, so ein „menschliches Entscheidungsvakuum“ kostet Zeit und Nerven und birgt – im Falle einer Umgehungslösung – sogar persönliche Risiken.
Befreiende Gedanken
Vorgesetzte sind auch Menschen! Vielleicht sind sie ja selbst einer? Falls ihr Beruf „Projektmanager“ ist oder sie in einer hierarchischen Organisation arbeiten, ist das sogar wahrscheinlich. Denn dort sind die meisten Menschen beides: irgendwem untergeordnet und gleichzeitig irgendwem vorgesetzt. Man muss nicht unbedingt „Manager“ auf der Visitenkarte stehen haben, um ein „Chef“ zu sein, der (manchmal) nichts entscheidet. Mal an die eigene Nase gefasst: treffen wir immer alle Entscheidungen, die „Mitarbeitende“ an uns herantragen? Sehen Sie. Und dies führt zu einem zweiten befreienden Gedanken:
Die meisten Menschen, die wir in Organisationen treffen, wollen das Richtige tun! Die allermeisten wollen etwas nützliches tun, einen konstruktiven Beitrag zur „Wertschöpfung“ leisten. Das gilt für Experten wie Manager. Wenn wir wie im Fall von Lukas und Philipp nachforschen und Philipp fragen, warum er in der besagten Sache nicht entschieden hat, hören wir mehr oder minder dieselbe Antwort: „Ganz ehrlich, das Ganze ist mir suspekt und unklar“. Wenn wir weiter nachforschen, was genau an Klarheit fehlt, hören wir Dinge wie, „um was genau es geht“, „warum das jetzt so wichtig ist“ oder „wieso ausgerechnet ich das entscheiden soll“. Manchmal sind es auch zu viele Informationen, die einer Entscheidung entgegenstehen. Im besagten Fall hat Lukas einen ausgeklügelten „Lösungsweg“ zur Entscheidung vorgestellt. Philipp fühlt sich dadurch in die Enge gedrängt, er hat das ungute Bauchgefühl, manipuliert zu werden, ohne alle relevanten Informationen zu besitzen, um sich selbst ein unabhängiges Bild zu machen. Nun könnte Philipp das alles reflektieren, aus- und ansprechen und im Gespräch mit Lukas klären. Doch das ist äußerst herausfordernd und gelingt nur den allerbesten Führungskräften. Allen anderen müssen wir es leichter machen, das Wichtige zu entscheiden.
Fazit
Wenn Vorgesetzte „einfach nichts entscheiden“, liegt es eher selten daran, dass die Person faul oder destruktiv ist. Viel wahrscheinlicher ist, dass nicht die richtigen Informationen ausgetauscht wurden (zu viel, zu wenig, widersprüchlich, unpräzise) und der Entscheidungsbedarf dem Chef oder der Chefin unklar ist (oft es das nur ein intuitives Störgefühl: vage, aber genug, um Handeln zu vermeiden).
Methodentipp
Ein Instrument wie der Decision Canvas ist eine Einladung zu einem ergebnisoffenen und konstruktiven Gespräch. Er hilft, Fragen zu klären, die scheinbar einfach und offensichtlich sind, in entscheidenden Situationen aber leider allzuoft vergessen werden.
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Buchhinweis
- Hey, nicht so schnell - Gutes Entscheiden in komplexen Zeiten